Sonntag, 5. Dezember 2010

Die Fehler meiner besten Freundin


Tina ist süß. Sie ist ein bisschen größer als ich, sehr schlank, hat dunkle Haare, blaue Augen und das Gesicht eines schmollenden Porzellanpüppchens. Trotzdem hatte Tina (24) bisher genau einmal Sex. Und der war nix. Was ist da falsch gelaufen? Will Tina etwa nicht gevögelt werden?
Allerdings. Außerdem ist Tina praktisch pausenlos verliebt. Und dabei sehr ausdauernd: Seit anderthalb Jahren schwärmt sie für einen Kommilitonen (was er nicht weiß), und hat es ganz im Sinne der guten Freundschaft sogar geschafft, mit ihm allein eine Woche nach Kreta zu fliegen. Schon auf dem Flughafen erzählte er ihr allerdings – damit ihre Freundschaft nicht von Geheimnissen beeinträchtigt würde – , dass er in den letzten Monaten ungefähr die Hälfte ihrer gemeinsamen weiblichen Bekannten flachgelegt habe (was sie nicht wusste), nur leider sei daraus ja nie was geworden. Jetzt ist Tina völlig desillusioniert und wird niemals mit ihm schlafen (was er nicht weiß). Dabei hatte sie sich extra sexy Unterwäsche gekauft (die er niemals sehen wird).
Diese Geschichte hat mich keineswegs überrascht – ganz im Gegenteil, es wäre geradezu ein Schock gewesen, wenn Tina einmal den Kerl ihrer Wahl erfolgreich verführt hätte. Ist Tina vielleicht ganz einfach uninteressant? Das kann ich nach über zehn Jahren Freundschaft eindeutig verneinen. Tina hat einen absolut abgefahrenen Humor, ist clever, belesen und freundlich.
Nur schade, dass die Jungs davon nichts wissen. Klar, auf den ersten Blick weckt Tina durchaus das Interesse der männlichen Bevölkerung (immerhin ist das Aussehen laut aktueller Umfrage für 44% der Männer das entscheidende Kriterium, um eine Beziehung überhaupt in Erwägung zu ziehen). Wird sie dann allerdings angesprochen, blickt sie zu Boden, lächelt verschämt und nippt mit zusammengekniffenen Lippen an ihrem Glas. Auf die Frage hin, was sie denn so tue, bekommt man ein kaum hörbares „studieren“ als Antwort. Was denn? „Germanistik.“ Und, macht das Spaß, wie sind so die Profs? „Ist okay“.
Zack, Messer im Bauch, Katze tot. Nachdem er sich ein paar solcher Antworten eingefangen hat, wird auch der hartnäckigste Kerl das Weite suchen. Sollte er sich vielleicht aufgrund gemeinsamer Freunde sogar getraut haben, sie mit einer Umarmung zu begrüßen, wird er nun für den Rest seines Lebens das Trauma bekämpfen, einen zu Stein erstarrten Zombie geknuddelt zu haben.
Körperkontakt? Für Tina eine äußerst furchteinflößende Sache. Konversation? Was bitte soll man denn einem völlig Fremden zu sagen haben? Und jede Art nonverbaler Kontaktaufnahme, lächeln, zwinkern oder gar tanzen, ist Tina einfach nur schrecklich peinlich.
Nebenbei bemerkt, auch ich bin Tina öfter mal peinlich. Wenn ich Sexgeschichten erzähle, mein neuestes Lieblingslied vor mich hin singe oder als einzige in einer Bar tanze, würde sie am liebsten vor Fremdscham im Boden versinken. Deswegen wird Tina niemals einen Typen scharf machen mit der Aussicht auf Sex an ungewöhnlichen Orten, niemand wird sie je auf ihre jazzige Stimme ansprechen (falls vorhanden, denn selbst im Schulchor hat sich Tina auf perfekt einstudierte Lippenbewegungen beschränkt) und ganz bestimmt wird der süße Typ am Tresen sie nicht zu einem Cocktail einladen in der Hoffnung auf einen gemeinsamen Tanz.
Leider erweist sich Tina als sehr resistent gegenüber jeder Form von Verbesserungsvorschlägen. Sie glaubt fest daran, dass ihr jeweiliger Auserwählter die kühle zurückhaltende „beste Freundin“ irgendwann spontan küssen wird, um ihr anschließend seine große Liebe zu gestehen. Ich glaube nicht, dass er das tun wird. Es wäre ihm auch viel zu peinlich.
Auf diesem Planeten gibt es ein ganzes Heer von Tinas, kluge attraktive Frauen, die sich selbst im Weg stehen, die viel zu viel Angst haben, sich lächerlich zu machen, um jemals etwas zu wagen. Deshalb bleiben sie monogame Singles (sie scheinen ihrer rechten Hand ewige Treue geschworen zu haben).
Falls auch ihr euch in Tina ein wenig wiedererkennen könnt – Glückwunsch, ihr seid auf dem richtigen Weg, denn ihr habt immerhin schon einmal den Weg zu diesem Blog gefunden, ihr habt es kapiert: es ist Zeit, endlich was zu ändern, anstatt den verpassten Chancen hinterherzutrauern.
Deshalb hier eure Aufgabe des Tages:
Macht heute einfach einmal etwas Lächerliches, etwas, dass euch normalerweise viel zu peinlich wäre. Zieht den viel zu kurzen Minirock an, den ihr in einem Anflug von Wahnsinn gekauft hat; erzählt eurem „besten Freund“, dass ihr ihn schon immer mal flachlegen wolltet, oder einem völlig Fremden von euren Vergewaltigungsfantasien; tanzt in der Disco genauso wie vor dem Spiegel und am besten an der Stange; haltet auf der Straße eine Rede über die Ausbeutung der Arbeiterklasse; geht an einen FKK-Strand und macht dort den Sonnengruß, oder was auch immer euch einfällt – und schreibt mir eure Erfahrungen!
Ihr werdet sehen – der erste Schritt zu eurem neuen Leben als selbstbewusste erfolgreiche Pick-up Ladys ist die Überwindung eurer eigenen Hemmungen; streicht „peinlich“ aus eurem Wortschatz und ersetzt es durch „aufregend“!


In diesem Sinne,
Go Girl, go!
Eure Catherine

1 Kommentar:

Mira E. hat gesagt…

*gg* ich glaub, ich hab auch schon öfter mal die Tina gemacht.... wie kriegt man die verdammte Schüchternheit weg???